Hörstück in 4 Szenen
junge Frau: „...und ich wusste schon jetzt, dass mir nachher die Idee von dir angenehmer sein würde, als du selbst. weil ich, dass es dich gibt, nicht aushalte. weil ich... wie kann das sein, nichts ist geschehen, aber schon legen sie Fährten, die Gefährten. Verzeih mir, dass ich überall anders hinschaute, als in deine Augen: in den grünen Tee, auf den Griff der Kuchengabel, an den Rand meiner Brille, aus dem Westfenster, auf die schwachen Rücken der Bücher, auf das ungewollte Muster in der Tapete, auf das Muster meiner dünnen Hose, auf die grüne Kälte, auf deine Bilder, die man nie lange betrachten konnte, ohne in ihnen wieder deine Augen zu finden, weil sie so schlicht und direkt waren. & ich sah mich ja. ich sah mich, wie ich durch dich mich sah. wie ich wegschaute & errötete & redete, um wieder etwas zu finden, von dem du reden konntest, damit ich dich ungehindert betrachten konnte. nur nickte ich zu schnell, & fragte nach, & sagte Ja. so dass ich nie, aber auch nie davon ablenken konnte, dass du mich ganz und gar. mich wundert noch jetzt. mich wundert noch hier. dass du mich bis hierher hast zurückkommen lassen. mich wundert noch du. mich wundert noch mich, dass ich mich... vergessen = hier macht die Sprache einen Fehler: es heißt das Gegenteil. die Sprache ist männlich. manchmal. wie du. den Mut. ich werde es nie vergessen. auch wenn jetzt gar nichts mehr wär. du bist einer der wenigen Tage in meinem Leben, auf denen der Himmel ruht. dieses grüne Feuer. dieses Licht von der Seite. das nur deine körperlichen Grenzen zeigen will. dieses gezeitige Meer, wie die Sonne, vom fernen Stadtteil, vom Schweigen, ganz rund. & da das Hoffen auf eine Begrenzung dem Hoffen auf eine Idee zuwider steht, werde ich ihn abbrechen, den Weg über die Dächer, DEINE Dächer, & bis. zum nächsten mal.“
alte Frau: Ich könnte mir auch Kaffee
kaufen
und mir zuhause einen kochen.
Das schmeckt
aber nicht so gut.
alter Mann: Ja, weil Sie da allein sind.
alte Frau: Ist recht angenehm hier.
Morgen ist auch noch n Tag.
Eine Kneipe am Rande der Stadt. Sonntagmorgen. Es regnet. Da sitzt eine junge Frau mit Hang zum Monologisieren. Sie wartet auf ihren Geliebten. Da sitzen ein alter Mann und eine noch ältere Frau in einem scheinbar nichtssagenden, scheinbar endlosen Geplauder über den Kaffee begriffen. Sie warten auf nichts mehr. Das aber haben alle gemeinsam: es gibt keine Entwicklung; sie sind Meister der Wiederholung, der Variation.
Premiere: Café Monopol, Langenhagen 1997 / Auszug in: Fliegenbuch, Schöneworthverlag, Hannover 2004 / auch Einzelveröffentlichung als Fliegenfalter Nr. 5 / Auszug in: Tränen, eine Anthologie, Geest Verlag, Großenkneten 2000 / Kurzfassung in "ZWISCHEN//RÄUME", Die ersten 100 Jahre Bahnhofsmission Hildesheim, (Hildesheim, 2015), ISBN 978-3-00-048405-6
Hörspiel in 3 Szenen
Igrado:
(...) Aber vorerst konnte ich noch einen Kaffee genießen
und
dem Wind bei seinem Spiel zuschauen.
Die Kellnerin nach dem
Kuchen fragen,
obwohl der in der Karte stand;
und das
nur,
damit sie mir noch einmal lächelte.
Ob auch ich
lächelte in diesem Moment?
fragte ich mich
und
versuchte es in meinem Gesicht zu fühlen.
Mein Gott,
ich
hatte bestimmt ebenso lange nicht gelächelt,
wie ich mich
nicht aus dem Haus gewagt hatte...
Während ich so dachte,
blieb mein Blick bei ihr,
fing sich in dem Schatten,
den ihr dichtes Haar
über
ihre Augen warf;
Taubenaugen,
gurrende.
Jetzt lächelte sie noch einmal.
Grundlos.
Also nahm
ich an, dass auch ich lächelte;
und dann fiel es mir wieder
ein:
ja, wenn die Nasenspitze kribbelte,
so war es immer
gewesen.
Was...
Es ist ihre Stimme.
'Sie haben doch schon alles bezahlt.'
Plötzlich...
hauchdünn die Worte zwischen uns,
als könne man durch sie
hindurchgreifen...
Dennoch werde ich jetzt gehen (...)
Ein Mann traut sich nicht mehr aus dem Haus, weil er Angst hat, auf der Straße erschossen zu werden. Schließlich kommt er auf die Idee, sich eine Pistole zu kaufen. Es ist ein wunderbarer Mai-Tag, und seine Angst ist wie verschwunden. Hätte er das Jackett mit der Waffe doch nicht in einem Café hängen gelassen - dort passiert kurz darauf ein Mord, mit seiner Pistole. Im Gespräch mit der Kellnerin, in die er sich verliebt, beginnt er zu zweifeln, ob er das Haus überhaupt verlassen hat und nicht nur in einem bösen Traum gefangen ist.
Premiere: szenische Lesung im Atelier Guido Ahner, Hannover 1995
Hörspiel in 4 Szenen
Johanna: Er spielte einst Klavier
Er hat mich angelächelt
Und ausgerechnet Brahms
Bei
Brahms war es immer
Am schlimmsten
Ödipus: So jemanden lässt man doch nicht
wieder wegfahren
Bringt ihn gar zum Bahnhof
Johanna: (zwinkert ihm zu)
Doch,
wenns regnet
Geht man zusammen unter einem kleinen Schirm
Ödipus: Du hast Recht
Larvos: Ja, ja - Und dann in die falsche
Richtung
Und wird von der Bahnhofspolizei festgenommen
Schweigen. Sie trinken.
Johanna: (plötzlich rufend,
schwärmerisch)
Hört! Die Glocken läuten
Ödipus: Leider muss ich euch enttäuschen
Das ist meine kaputte Heizung, die so klingt -
Ich habs dann
aber so gelassen
Larvos: Wenn wir ehrlich sind
Sehnen wir uns doch alle nach jemanden
Der unerreichbat ist
Das und der angebrochene Tag
Halten uns zusammen
Johanna: (ärgerlich)
Du kannst
mit deinen Spitzfindigkeiten jede Stimmung verderben...
(wieder
schwärmerisch)
Stell dir vor
Da ist jemand nicht nur
charmant, sondern sieht auch noch so aus
Ödipus: Das ist unverschämt
Johanna: Ich möchte ihn wiedertreffen, vielleicht übermorgen
Larvos: Für übermorgen habe ich den Umzugswagen bestellt
Ödipus: Aber hatten wir nicht abgemacht
Dass wir weder über Vergangenheit noch Zukunft reden
Vorgestern
beim Bäcker?
(...)
Ödipus kann weder Klavier spielen noch schlafen und macht seine Nächte mit Larvos und Johanna durch. Der blinde Klavierstimmer Tiresias kann ihm nicht helfen. Nachdem Ödipus seine Eltern umgebracht hat, fasst er allerdings nochmal recht sachlich zusammen, worum es ihm eigentlich geht..
Premiere: szenische Lesung 1996 Café K., Hannover, mit Carsten Wilhelm und Dirk Baumeister (Hörprobe, digit. v. C. Lhopital)